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Wer misst, misst meist Mist …
… lautet die Grundregel für den Messknecht. In dem Buch "Elektrische Messtechnik" von Dr.-Ing. Melchior Stöckl und Dr.-Ing. Karl Heinz Winterling, Teubner 1972, heißt gleich das erste Kapitel "Messen und Messfehler". Gemeint ist damit, dass jede Messung verfälscht werden kann durch die Messgeräte, die Umgebung des Messaufbaus, das Messverfahren, durch mangelhafte Beobachtung und durch zufällige Einflüsse. Die meisten Fehler jedoch passieren zwischen dem linken und dem rechten Ohr (diese Erkenntnis verdanke ich Marco Seith aus Mindelheim). Um nicht ganz und gar in die Irre zu gehen, werde ich mir ein paar Gedanken machen zum menschlichen Körper, zum Messgerät und zum Zusammenspiel der beiden im Messaufbau.
Der Körper als Messobjekt
Der menschliche Körper ist mehr als komplex. Welche Faktoren beeinflussen das Körpergewicht? Wie wirken sich diese Einflüsse auf das Fett aus, das ich mit mir herumtrage? Wenn ich hier etwas verstehen soll, muss ich mir die Bestandteile einzeln vornehmen.
Die Organe
Wachsen die Organe eigentlich mit, wenn der Mensch dicker wird? Eher nicht; wahrscheinlich sind Sportlerherz und Säuferleber die Ausnahme. Für die Body Fat Analyse dürfen Durschschnittswerte angenommen werden, zumal der Gewichtsanteil der Organe des 95 %-Mannes nur bei etwa 15 kg liegt.
Die Flüssigkeiten
Hier wird's gleich richtig kompliziert: In der Literatur sind darüber nur recht unscharfe Angaben zu finden, die meisten Fachleute gehen wohl von 55 % Wasseranteil aus. Und was ist mit den Mageren? Da sie weniger Fett haben, müssten sie ja prozentual aus mehr Wasser bestehen, das widerspricht aber dem Augenschein. (Jetzt komme ich ins Grübeln: Wie kommen die Mediziner an solche Zahlen? Wie wird sowas überhaupt gemessen? Wird da ein Hungerhaken gewogen, auf den Rost gelegt, gedörrt und anschließend wieder gewogen?)
Schwere Knochen?
Ein Gerippe wiegt etwa 7 kg; diese Schätzung geht vom Durchschnittsmann (175 cm, 75 kg) aus.
Wie hängen Knochengewicht und Körpergröße zusammen? Das Körpergewicht wächst weniger stark als die Größe; die Knochen müssen dieses Gewicht tragen. Wenn unterstellt wird, dass die Tragfähigkeit vom Knochenquerschnitt abhängt, dann wächst das Gewicht der Knochen wiederum weniger als das Körpergewicht. Wahrscheinlich sind die 7 kg als Näherung gar nicht so schlecht. Bei Gelegenheit werde ich mal genauer nachrechnen.
Bei einer Größenordnung von 7 kg haben die Knochen einen Gewichtsanteil am Körpergewicht von etwa 9 %. Die Tatsache, dass Knochen unterschiedlich schwer sein können, schlägt bei 10 % Abweichung nach oben oder unten auf den Gewichtsanteil mit 0,9 % durch, bei 80 kg wären das etwa 700 Gramm - noch nicht einmal anderthalb Pfund. Das liegt weit unter der Genauigkeit des BodyFatWatchers und soll deshalb hier nicht zählen, sondern als das genommen werden, was es ist: Eine faule Ausrede.
Alter und Geschlecht
Männer bestehen zu 42 % des Körpergewichtes aus Muskelm, Frauen sind ein wenig rundlicher und tragen 36 % als Muskeln. Ab dem 25. Lebensjahr bildet sich die Muskulatur zurück, der alte Mensch hat etwa 10 % weniger Muskelmasse als der junge.
Kann der Mensch überhaupt gemessen werden?
Jeder Messtechniker bekommt das kalte Grausen, wenn er sich mit dem Menschen als Prüfling in einem Messaufbau zur Widerstandsmessung auseinandersetzen muss. Der Mensch besteht aus Knochen, Muskeln, Fett, Organen, Flüssigkeiten und Hohlräumen, das alles in einem "Mischungsverhältnis", das sich von außen nicht beurteilen lässt. All diese Komponenten liegen in nur annähernd bekannten Mengen vor, jede von ihnen hat eine unterschiedliche Leitfähigkeit und trägt somit unvorhersagbar zum Gesamtwiderstand bei.
Die Aufgabe, Dinge zu messen, die er nicht überblickt, ist dem Messtechniker nicht fremd: Wenn die Dinge gar zu kompliziert werden, dann denkt er sich ein Modell aus, mit dem er die Wirklichkeit nachbildet und nennt das eine Ersatzschaltung. Diese Modell ersetzt natürlich nicht die Wirklichkeit, sondern nur die Aspekte, die messtechnisch wichtig sind. Könnte es gelingen, die elektrischen Verhältnisse so zu modellieren, dass sie als Ersatz für einen menschlichen Körper dienen könnten? Ich fürchte nicht: Die Bestandteile des Körpers sind untrennbar verbunden und vermischt, deshalb entziehen sie sich jeglichem Versuch, sie als einzelne Elemente einer Schaltung nachzubilden.
Das Messgerät
Bio-Impedanz-Geräte messen den (Wechselstrom-)Widerstand je nach Bauart über verschiedene Körperteile:
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linker Daumen - Arm - Schultergürtel - Arm - rechter Daumen
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Handgelenk - Arm - Flanke - Bein - Fußgelenk
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linker Fuß - Bein - Unterkörper - Bein - rechter Fuß
Die Messfrequenz liegt bei einfacheren Geräten bei 50 kHz, aufwendigere Geräte messen mit Frequenzen von 100 kHz bis 1 MHz. Bekanntermaßen dringen Ströme hoher Frequenz kaum in das Messobjekt ein, sondern fließen mehr oder weniger nur an der Oberfläche. Die Hersteller warnen Träger von Herzschrittmachern vor der Benutzung; ob tatsächlich eine Gefährdung auftreten kann, ist nicht klar.
Die Messgeräte liefern einen konstanten Strom von typischerweise 500 - 1000 Microampere, daraus ergibt sich eine Spannung von etwa 0,5 Volt am Probanden.
Bei allen Geräten müssen die Körpergröße, das Alter und das Geschlecht des Probanden vorgegeben werden. Körperfettwaagen kombinieren eine Personenwaage mit dem Body Fat Analyzer und nehmen dem Benutzer dadurch das Eintippen des Gewichtes ab.
Für diese Ausarbeitung wurde der NAIS Body Fat Watcher EW 4100 eingesetzt, mit dem über die Daumen gemessen wird:
Das Messverfahren
Zur Geschichte
Ein großes Problem der Medizin ist der Flüssigkeitshaushalt des menschlichen Körpers. Viele in den Tropen verbreitete Krankheiten sind deshalb so bedrohlich, weil der Körper das Wasser nicht mehr binden kann oder im Übermaß verliert. Bereits 1940 gab es erste Überlegungen, wie mit elektrischen Methoden der Wassergehalt des Körpers bestimmt werden könnte. Erst ab 1968 allerdings bekam die Sache Schub, als sich nämlich die NASA für diese Fragestellungen interessierte. Ein weiterer Anstoß, das Thema zu vertiefen, war ab 1981 das Auftreten von AIDS.
Die Bestimmung des Wassergehaltes erbrachte als zunächst gar nicht gesuchtes Ergebnis auch eine Methode, den Fettgehalt des Körpers zu bestimmen. Vielleicht wäre auch das weitgehend unbeachtet geblieben, wenn nicht ein findiger Kopf ein Messgerät entwickelt hätte, das von jedermann bedient werden kann.
Das Messprinzip
Die Bio-Impedanzanalyse nutzt die Tatsache, dass Fett einen höheren elektrischen Widerstand hat als Muskelfleisch. Das liegt daran, dass die Wassergehalte sehr unterschiedlich sind: Fett hat 5 - 10 % Wasser, der Rest des Körpers 60 - 70 %. So weit die Produktbeschreibung des
Bodystat 1500.
Eine völlig andere Wirkungsweise wird in den
Principles of Bioelectrical Impedance Analysis
beschrieben. Danach besteht der Körper aus einer Mischung von Körper- und Fettzellen; die Körperzellen haben eine elektrische Kapazität, die Fettzellen nicht, weil sie keine Membran besitzen. Je größer also der Anteil der Fettzellen, desto geringer die Kapazität. Das ist grober Unfug: Ohne Membran könnte keine Fettzelle ihre Aufgabe erfüllen, den Nahrungsüberschuss als Triglycerid zu speichern und bei Bedarf als Fettsäure und Glyzerin wieder freizusetzen.
Die Frage, wie die aberwitzige Menge von unterschiedlichen Zellen "verschaltet" ist, wie die Zellen also neben- und hintereinander im Messkreis liegen, ist entscheidend für die Beurteilung der Eregbnisse: Es sollte schon nachvollziehbar begründet werden, wie sich die Bio-Impedanz eines lebendigen Menschen von der eines Doppelzentners Hackfleisch unterscheidet. In den
Fundamentals of Bioelectrical Impedance Analysis wird die Fragestellung pseudowissenschaftlich verhunzt, indem im Schweinsgalopp durch die Grundlagen der Messtechnik getobt wird. Das Problem, ob und wie dieser Verbund (Verhau wäre auch nicht falsch) von Körperzellen überhaupt gemessen werden kann, wird weder medizinisch noch messtechnisch erörtert.
Was bleibt nun von der Theorie? Nichts als die Erkenntnis, dass das Wissen über die Messmethode reichlich mangelhaft ist. Wenn ich dann noch feststelle, dass eine Forschungsgruppe namens "Bioelectrical Impedance Science" sich in einer Ausarbeitung mit dem Problem befasst, welche Bio-Impedanzwerte Kartoffeln vor und nach dem Kochen aufweisen, dann frage ich mich, ob das Zynismus, Blödheit oder eine spezielle Art von Humor ist.
Die Grenzen des Verfahrens
Wenn ich mir die Methodik so betrachte, dann beschleicht mich ein Gefühl der Verunsicherung: Die Physiologie wird hier willkürlich mir der Elektrotechnik verbandelt, mit ein paar Rechenkunststücken zaubern die Forscher Interpretationen aus dem Hut, die bestenfalls als Spekulationen gelten dürfen. Eine Bestätigung meines Unbehagens liefert mir dieser Auszug aus den
Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft:
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Die bioelektrischen Impedanzverfahren erfreuen sich großer Beliebtheit. Mit diesen Geräten kann relativ exakt auf den Wassergehalt des menschlichen Körpers geschlossen werden. Jedoch ist die Hochrechnung auf die Fettmasse stark fehlerhaft. Je adipöser der Patient, desto höher ist die Fehlerquote (Deurenberg,
1996).
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Das ist allerdings bitter. Gerade die, die unter ihrem Übergewicht leiden, können sich auf die Messungen nicht verlassen - einigermaßen richtig gemessen werden nur die Glücklichen, die sich um ihr Gewicht sowieso keine Gedanken machen müssen.
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